Triebwagen fährt bis in den Zipfel

René Wölfel, Thorald Meisel
Freie Presse, 13. Dezember 2005

Wochentags kommt zweimal täglich der Triebwagen aus Cheb/Eger nach Hranice/Roßbach. Proteste der Bürger haben verhindert, dass die Strecke in diesem Monat stillgelegt wird.

HRANICE/ROßBACH. – Die Fahrgäste, die am Bahnhof Hranice auf den Triebwagen aus Cheb/Eger warten, hören das Schienenfahrzeug schon von weitem: Vor der Einfahrt zum Bahnhof gibt es zwei unbeschrankte Bahnübergänge.

Triebwagen im Bahnhof Roßbach/Hranice
Triebwagen der ČD steht am Bahnhof Hranice abfahrtsbereit nach Cheb/Eger
Foto: Helmut Schneider

Dort muss der Triebwagen laut hupen. Dieses Hupen wird es auch weiterhin geben. Entgegen den Plänen der Tschechischen Bahn wird die Strecke nicht stillgelegt, der Protest der Bürger und der Kommunen gegen das Vorhaben war zu groß. Schon 1998/99 hatte der Bahnverkehr für Monate geruht. Der ursprünglich für den 11. Dezember geplante Fahrplanwechsel wurde kurzfristig auf den 16. Dezember verschoben. Ein Grund dafür ist, dass in dieser Woche im Kreistag Karlovy Vary/Karlsbad noch einmal über die Linie gesprochen werden soll. Bislang sollen nur noch zwei Züge zwischen Hranice und Cheb verkehren, Abfahrt im Grenzstädtchen 8.40 und 12.40 Uhr. Das Angebot wollen die Einwohner vor allem freitags und an Wochenenden erweitert haben.

Die Eisenbahn im westböhmischen Zipfel hat eine lange Tradition. Im Dezember 1880 hatten der Ascher Bürgermeister Ploß und sein Roßbacher Amtskollege Hofmann einen sächsisch-böhmischen Eisenbahnbau-Verein gegründet, der eine Linie von Asch über Roßbach, Ebmath und Triebel bis nach Weischlitz plante, an der vor allem die westböhmischen Textilunternehmen großes Interesse hatten. Zunächst wurde 1885 eine 14,7 Kilometer lange Strecke zwischen Asch und Roßbach in Betrieb genommen. Der geplante Weiterbau nach Sachsen verzögerte sich allerdings noch auf Jahre. Im Juni 1896 wurde der Plan einer Bahn von Roßbach durch das Tetterweintal nach Adorf vorgelegt, der im Frühjahr 1905 endlich begann. Ab dem 17. September 1906 rollten die Züge auf der knapp 14 Kilometer lange Strecke

Als 1918 mit dem Ende des Ersten Weltkrieges die Habsburger Doppelmonarchie zerviel und die Tschechoslowakei gegründet wurde, gingen alle bisherigen K.K. Oesterreichischen Staatsbahnen, also auch die Strecke Asch-Adorf, an die Tschechoslowakische Staatsbahn ČSD über.

Beim Bahnbau gab es zwei Todesfälle. Am 26. August 1905 wurde der italienische Polier Giovanni Cecconi bei Gettengrün ermordet und ausgeraubt, er hatte Lohngelder für die Arbeiter bei sich, insgesamt 85o Reichsmark und mehrere hundert Kronen. "Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt", weiß der Markneukirchener Historiker Werner Pöllmann. Am 4. September 1906 kam der Oberingenieur Prokupek bei einer Testfahrt mit einer Draisine ums Leben. Der "Roßbacher Mockel", wie der Zug im Volksmund hieß, dampfte 39 Jahre durch das Tetterweintal. Der letzte Zug am 15. April 1945 geriet unter amerikanischen Beschuss, auf dem Bahnhof Freiberg gab es sieben Tote. Geladen hatte der Zug Kunstgegenstände aus böhmischen Museen, die damals auf mehrere Scheunen verteilt wurden. Ein Großteil der Exponate kam nach dem Krieg an die tschechischen Museen zurück. Verschiedene Stücke tauchten aber auf internationalen Auktionen auf, was auch die Behörden der DDR beschäftigte. Das Geschehen dazu bildete den Hintergrund der Kriminalerzählung "Fingerzeige eines Toten", die 1988 in Berlin erschien.

Neben dem Erhalt der Bahnlinie gibt es in Hranice in diesen Wochen noch ein weiteres Diskussionsthema. Im kommenden Jahr soll mit dem Bau einer 4,5 Kilometer langen Ortsumgehung in Richtung Ebmath begonnen werden, deren Fertigstellung für 2008 vorgesehen ist. Ebmath gehört zu den Grenzübergängen nach Sachsen, die in absehbarer Zeit für den Fahrzeugverkehr geöffnet werden sollen.